Ob im Alltag oder in der politischen Debatte – um andere von der eigenen Meinung zu überzeugen, findet häufig ein argumentativer Schlagabtausch statt. Gute Argumente sind sicherlich wichtig, wenn Sie andere zu einer Meinungsänderung bewegen möchten. In Verhandlungen sind sie jedoch nur ein Faktor unter vielen. Überzeugen beginnt hier durch Fragen und Informieren, Argumente werden erst später im Verhandlungsverlauf benötigt. Lesen Sie hier, wie Sie in Verhandlungssituationen überzeugend argumentieren.
Warum nicht immer die besten Argumente „gewinnen“
Beim argumentativen Schlagabtausch „gewinnt“ nicht immer die beste Lösung. Die Gesprächspartner bringen wechselseitig ihre Argumente vor und versuchen, die Gegenargumente zu entkräften. Am Ende überzeugt nicht unbedingt das beste Argument, da die Gesprächspartner eventuell nicht gleich gut vorbereitet waren oder unter Zeitdruck verhandelt haben. Effektives Überzeugen ist also vielmehr ein Prozess anstatt ein Schlagabtausch. Im Gegensatz dazu beginnt er nicht mit dem eigenen Standpunkt und Argumenten, die die eigene Position belegen, sondern mit der Klärung der Problemsituation und den Interessen/Bedürfnissen der Verhandlungspartner. Diese verbergen sich hinter den Positionen und müssen durch offene Fragen sichtbar gemacht werden. Erst wenn die Verhandlungspartner die jeweils anderen Ideen prüfen und gemeinsam eine Lösung entwickeln, können gute Argumente überzeugen.
Bauen Sie eine vertrauensvolle Beziehung auf: Ablauf eines Überzeugungsgesprächs
Klärung der Problemsituation: Zunächst gilt es, die Problemsicht der Verhandlungspartner zu ermitteln. Das ist nur möglich, wenn beide sich einander zuwenden und durch offene Fragen die jeweiligen Bedürfnisse klären. Benennen Sie das Problem klar und halten Sie es fest.
Vorgeben der Zielrichtung: Fassen Sie das Wichtigste zusammen und deuten Sie Lösungsrichtungen an. Berücksichtigen Sie die Einwände, die es möglicherweise gibt.
Einbringen eines Vorschlags: Argumentieren Sie mit dem Nutzen Ihres Vorschlags und zeigen Sie Ihrem Verhandlungspartner die Bedeutung und Realisierbarkeit auf.
Festhalten des Ergebnisses: Halten Sie die getroffenen Vereinbarungen fest und besprechen Sie die nächsten Schritte mit Ihrem Verhandlungspartner.
Plausibel, rational oder ethisch: Grundlegende Tendenzen in der Argumentation
Wenn Sie argumentieren, können Sie grundsätzlich drei verschiedene Tendenzen in der Argumentation verfolgen:
Plausible Argumentation: Berufen Sie sich auf allgemeine Erfahrungen und Traditionen oder verallgemeinern und übertreiben Sie. Da jeder diese Argumente gleich versteht, sind sie am wirkungsvollsten im Vergleich zu den anderen beiden Tendenzen.
Rationale Argumentation: Hierbei werden Zahlen und Fakten logisch miteinander verknüpft, was vom Gegenüber bewusstes Nachdenken erfordert. Vermeiden Sie bloße Aufzählungen, da dies wie eine Rechtfertigung wirkt.
Ethische Argumentation: Wenn Sie gesellschaftliche Werte und Normen wie Freiheit und Gleichheit anführen, appellieren Sie an das verantwortliche Denken Ihres Gegenübers. Überzeugen werden diese Argumente aber nur denjenigen, der die Werte teilt.
Es ist empfehlenswert, Argumente aus allen drei Bereichen zu sammeln, um verschiedene Argumentationspräferenzen bei Ihrem Verhandlungspartner zu berücksichtigen.
Argumente als neutrale Bewertungskriterien und Entscheidungsgrundlage
Das sachbezogene Verhandeln (Harvard-Konzept) zielt darauf ab, dass sich die Verhandlungspartner auf Basis von neutralen Bewertungskriterien für eine Lösung entscheiden. Diese Kriterien lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, damit sie transparenter und klarer für die Verhandlungspartner werden. Rational nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip sind Fakten- und Indizienargumente aufgebaut. Erstere beziehen sich auf gesicherte Daten und Sachverhalte, Letztere weisen kausale Zusammenhänge nach. Alle drei Grundtendenzen finden sich bei den sogenannten Attest- (zum Beispiel Expertengutachten) und Gebotsargumenten (gesellschaftliche Werte) wieder. Durch diese Kategorisierung fällt es Ihrem Verhandlungspartner möglicherweise leichter, die Kriterien zu akzeptieren.
Besonders überzeugend: Die Nutzenargumentation
Besonders hohe Überzeugungskraft haben Argumente, die dem Verhandlungspartner den Nutzen beziehungsweise die Vorteile einer Lösung verdeutlichen. Jeder möchte gern eine sinnvolle und gewinnbringende Übereinkunft erzielen. Wenn die Hauptprobleme gelöst werden und die Interessen des Verhandlungspartners Berücksichtigung finden, hat die Lösung einen Nutzen für Ihr Gegenüber. Veranschaulichen Sie Ihrem Verhandlungspartner, was die angestrebte Lösung für ihn bedeutet, auch in einem größeren Zusammenhang. Sprechen Sie proaktiv die Schwachpunkte der Lösung an. Dann haben Sie die Möglichkeit, diese in Vorteile umzudeuten.
So gehen Sie konstruktiv mit Einwänden um
Wenn Sie Ihren Verhandlungspartner und seine Interessen ernst nehmen möchten, gilt es, auch seine Einwände zu Ihrem Vorschlag zuzulassen. Sie werden Ihr Gegenüber nur überzeugen, indem Sie konstruktiv mit seinen Bedenken umgehen. Reagieren Sie emotional auf Einwände, schadet dies Ihrer Argumentation. Es bringt auch nichts, die Einwände zu ignorieren oder einfach abzustreiten. Besser ist es, wenn Sie die Einwände akzeptieren und Ihrem Verhandlungspartner verbal signalisieren, dass Sie seine Bedenken zur Kenntnis nehmen und respektieren. Sollte es sich um einen provokanten Einwand handeln, lösen Sie diesen am besten durch Differenzierung auf. Mitunter sind Einwände auch faktisch richtig und damit schwierig aufzulösen. Anstatt dagegen anzukämpfen, können Sie diese Einwände nur durch weitere Fakten relativieren. So können Ihre Vorteile den negativen Einwand eventuell ausgleichen.
Betrachten Sie Verhandlungen nicht als argumentativen Schlagabtausch, sondern als Überzeugungsprozess. Argumente sind in Verhandlungen nur ein Faktor bei der Überzeugungsarbeit und werden erst im Verhandlungsverlauf wichtig. Wenn Sie Ihrem Verhandlungspartner dann den Nutzen einer gemeinsamen Lösung verdeutlichen können und seine Einwände ernst nehmen, werden Sie ihn wirkungsvoll überzeugen.
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